Methodik

Zielsetzung

Transparenz und Awareness bei kritischer Versorgung vor Ort
Der Qualitätsatlas Pflege macht räumliche Verteilungsmuster von Versorgungsqualität bei Pflegeheimbewohnenden sichtbar. Er ist der erste Atlas in Deutschland, der auf einer breiten Routinedatenbasis Kennzahlen über die pflegerische und ärztliche Versorgungssituation in Pflegeheimen auf Kreis- und Bundeslandebene zeigt. Der Qualitätsatlas Pflege zielt auf mehr regionale Transparenz über die Versorgung von Pflegeheimbewohnenden und möchte Impulse setzen – für mehr Awareness bei Optimierungsbedarf. Er nutzt hierfür ein wissenschaftlich entwickeltes Set an Qualitätsindikatoren für die Pflege, die QCare Indikatoren.

QCare – eine neue Perspektive auf die Qualität
Pflegeheime sind Lebensorte und Versorgungssettings. Ob die Menschen dort gut versorgt werden, hängt nicht allein von den Pflegekräften ab. Eine Vielzahl von ganz unterschiedlichen, allen voran medizinischen, therapeutischen und pflegerischen Fachleuten sind an der Versorgung von Pflegeheimbewohnenden beteiligt. Die QCare Indikatoren setzen hier an und adressieren diese Schnittstellen der medizinischen und pflegerischen Versorgung. Dabei untersuchen die QCare Indikatoren ausschließlich Versorgungsaspekte, die als relevant und grundsätzlich beeinflussbar gelten.

Berechnungsgrundlage

Routinedaten
Der Qualitätsatlas Pflege misst Versorgungsqualität bei Pflegeheimbewohnenden auf Kreis- und Bundeslandebene mit sogenannten Routinedaten - den anonymisierten Abrechnungsdaten aller elf AOK-Kranken- und Pflegekassen. Mit ihnen lässt sich feststellen, ob die versicherte Person im Pflegeheim lebte und in welchem Kreis bzw. Bundesland dieses Pflegeheim situiert ist. Neben Alter, Geschlecht und Pflegegrad lassen sich zudem weitreichende Aussagen zu diagnostizierten Erkrankungen und zur medizinischen Versorgung rückblickend (retrospektiv) ableiten sowie im regionalen Vergleich und im Zeitverlauf analysieren.

Reichweite
Die kreisbezogenen Ergebnisse des Qualitätsatlas Pflege beziehen sich auf alle AOK-Versicherten im Alter von mindestens 60 Jahren, die mindestens einmal im Berichtsjahr abgerechnete Leistungen der vollstationären Dauerpflege (§ 43 SGB XI) in Anspruch nahmen (= Pflegeheimbewohnende). Eingeschlossen in die Analysen sind die Pflegeheimbewohnenden nur dann, wenn sie bereits im letzten Quartal vor dem Berichtsjahr in dem Pflegeheim lebten und im Berichtsjahr selbst nicht in ein anderes Pflegeheim oder in die ambulante Pflege wechselten. Menschen aus Einrichtungen mit Verträgen zur Behandlung von beatmungspflichtigen Erwachsenen bzw. Kindern und Jugendlichen sowie zur Pflege im Wachkoma betrachtet der Qualitätsatlas Pflege nicht.

Der Qualitätsatlas Pflege zeigt zudem nur Kreise mit 30 oder mehr AOK-versicherten Pflegeheimbewohnenden und mindestens 5 Pflegeheimen. Die Angaben zu den Pflegeheimbewohnenden der Amtlichen Pflegestatistik beziehen sich dabei stets auf den im jeweiligen Berichtsjahr vorliegenden aktuellsten Stichtag (Pflegestatistik des Statistischen Bundesamtes, Stichtag 31.12.2017 bzw. 31.12.2019 bzw. 31.12.2021). Dies verhindert datenschutzrechtlich mögliche Rückschlüsse auf Einrichtungen vor Ort. Auch sind Schlussfolgerungen zur Versorgungsqualität auf Basis von nur wenigen Pflegeheimbewohnenden statistisch nicht belastbar. Auffällige Einzelereignisse in der kreisbezogenen Versorgung könnten durchaus zufällig sein, sich jedoch prozentual zu stark im Qualitätsergebnis des gesamten Kreises niederschlagen. In die Berechnungen für die Bundesländer gehen ausschließlich jene Pflegeheimbewohnenden ein, die auch bei den Kreisberechnungen berücksichtigt sind. So ist eine konsistente Darstellung der Ergebnisse gesichert.

Vergleich
Wie häufig Pflegeheimbewohnende im jeweiligen Kreis oder Bundesland dauerhaft Antipsychotika erhalten, am Lebensende in das Krankenhaus eingewiesen werden oder als diabetisch erkrankte Menschen eine regelmäßige augenärztliche Vorsorge in Anspruch nehmen – das zeigt der Qualitätsatlas Pflege mit Blick auf die AOK-versicherten Pflegeheimbewohnenden. Im Zentrum stehen dabei zwei Kerngrößen, hier bezeichnet als „Anteil“ und als „Differenz“.

Der Anteil beschreibt ein einfaches („rohes“) Verhältnis je Kreis bzw. Bundesland und Berichtszeitraum in Prozent:

Diese Kerngröße zeigt also den Anteil Betroffener.

Ob und wie sich Kreise und Bundesländer in der Versorgung von Pflegeheimbewohnenden voneinander unterscheiden, lässt sich hingegen mit der „Differenz“ einschätzen. Die „Differenz“-Werte sind so adjustiert, dass sie einen fairen Vergleich von Kreisen ermöglichen. Hierfür berücksichtigen sie das regionale Risikoprofil der Pflegeheimbewohnenden im Kreis bzw. Bundesland. Zugrunde liegt ein statistisches Verfahren: erst ermittelt eine sogenannte logistische Regression, welche bei den Pflegeheimbewohnenden vorliegenden Risikofaktoren (bspw. bestimmte Erkrankungen) auf Bundesebene auf das Eintreten des Indikatorereignisses Einfluss nehmen, d.h. das Eintreten wahrscheinlicher machen. Das Alter, das Geschlecht, das Vorliegen von Demenz, der Pflegegrad sowie bestimmte Begleiterkrankungen (Elixhauser Komorbiditätsindex*) sind Standardmerkmale bei allen QCare-Indikatoren. Wie lange der oder die Pflegeheimbewohnende in der Einrichtung lebt, ist ebenfalls ein wichtiger Faktor (time-under-risk). Je nach Indikator sind weitere Merkmale der Bewohnenden ergänzt, i.d.R. vorliegende Erkrankungen.

So ergibt sich das indikatorspezifische Risikoprofil der Pflegeheimbewohnenden eines Kreises bzw. eines Bundeslands und schließlich, wie viele Pflegeheimbewohnende mit Indikatorereignis vor dem Hintergrund dieses Risikoprofils zu erwarten wären. Das Verhältnis der tatsächlich gemessenen Anzahl und dieser erwarteten Anzahl von Betroffenen eines Kreises bzw. Bundeslands in einem bestimmten Zeitraum stellt dann den sogenannten risikoadjustierten Wert (Standardisierte Morbiditätsrate, SMR) dar. Darauf basierend berechnet sich die „Differenz“ im Qualitätsatlas Pflege wie folgt:

Weist ein Kreis genauso viele Pflegeheimbewohnende mit Indikatorereignis auf wie aufgrund des Risikoprofils zu erwarten wäre, ist die Differenz gleich Null. Kreise bzw. Bundesländer mit einem Wert größer Null sind dementsprechend auffälliger, d.h. weisen mehr Pflegeheimbewohnende mit kritischem Ereignis auf als statistisch zu erwarten wäre. Liegt die Differenz im negativen Zahlenraum, ist es folglich genau andersherum.

*Elixhauser A, Steiner C, Harris DR, Coffey RM (1998) Comorbidity measures for use with administrative data. Medical care 36:8-27

Indikatoren

Bei jedem der mit den QCare Indikatoren gemessenen Versorgungsaspekt sind eine Vielzahl an Berufsgruppen und nicht professionell Versorgende und Betreuende und oftmals auch verschiedene Sektoren beteiligt. Gleichwohl sind die QCare Indikatoren genau einer der drei bisher präsentierten Schnittstellen scheinbar „disjunkt“ zugeordnet. Diese eher kategorische Entscheidung soll die maßgeblich an den indikatorspezifischen Aspekten Beteiligten hervorheben, ohne die Versorgung nur auf diese Beteiligten zu reduzieren. So ließe sich bspw. Dehydration auch der Schnittstelle „Vermeidbare Krankenhausaufenthalte“ zuordnen – jedoch soll das Augenmerk primär auf die durch eine koordinierte pflegerische und ärztliche Versorgung erreichte Vermeidbarkeit einer schwerwiegenden Dehydration gelenkt werden. Die Hauptaussage jedoch bleibt gleich: die Versorgung von Pflegeheimbewohnenden findet an Schnittstellen statt – und nicht nur durch Pflegekräfte und nicht nur im Pflegeheim. Es ist ein Setting der Versorgung.

Der Qualitätsatlas Pflege basiert damit auf einer Auswahl an routinedatenbasierten Qualitätsindikatoren aus dem vom Innovationsfonds geförderten Forschungsprojekt „Qualitätsmessung in der Pflege mit Routinedaten (QMPR)“. Im Projekt entwickelte das WIdO in Kooperation mit dem aQua-Institut GmbH und der Ostfalia Hochschule für Angewandte Wissenschaften zwölf Indikatoren zur Messung der Versorgungsqualität bei Pflegeheimbewohnenden auf Einrichtungsebene. Im Fokus standen hierbei Schnittstellen der pflegerischen und gesundheitlichen Versorgung. Mehrstufige literaturbasierte Evidenzrecherchen in Kombination mit einer routinedatenbasierter Vertestung stellten sicher, dass jeder Indikator Versorgungsaspekte bei Pflegeheimbewohnenden misst, die relevant (Burden, Epidemiologie), methodisch machbar/messbar und durch Pflegekräfte, Ärzte und Ärztinnen, therapeutische Fachleute und Management beeinflussbar sind.

Unzureichende Flüssigkeitszufuhr bei Demenz

Auftreten von Dekubitus

Fehlende augenärztliche Vorsorge bei Diabetes

Dauerverordnung von Antipsychotika bei Demenz

Dauerverordnung von Beruhigungs- und Schlafsmitteln

Kombination von neun oder mehr Wirkstoffen

Einsatz von für Ältere ungeeignete Medikation

Krankenhausaufenthalte am Lebensende

Kurze Krankenhausaufenthalte

Sturzbedingte Krankenhausaufenthalte


Qualitätsatlas Pflege: Methodik